Bohlen-Pierce-Projekt

ZM4

Was es mit der Bohlen-Pierce-Skala auf sich hat, kann man anhand beschreibender Worte kaum verstehen. Erst der unmittelbare Höreindruck in einem Konzert öffnet dem Zuhörer die Tore zu dieser tonalen Parallelwelt. Anders als Tonleitern in unserem gewohnten System stellt in der Bohlen-Pierce-Skala nicht die Oktave das wiederkehrende Rahmenintervall dar, sondern die Duodezime (Oktave plus Quinte). Diese wird in 13 Tonschritte eingeteilt, was unter verschiedenen mathematischen Gesichtspunkten geschieht. Das Ergebnis ist ein alternatives harmonisches System, das neue Möglichkeiten für gegenwärtige und zukünftige Musik eröffnet.

2008 wurde das erste akustische Blasinstrument präsentiert, die Bohlen-Pierce-Klarinette. In unserem Konzertprogramm werden wir einige der ersten Kompositionen für Bohlen-Pierce-Klarinette aufführen, ebenso wie weitere Stücke, die in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind. Auch die im März 2010 vorgestellte tief klingende Bohlen-Pierce-Tenorklarinette, bislang weltweit einzigartig, wird von uns eingesetzt.

Erlebbar wird die Bohlen-Pierce Skala anhand der CD “Beyond the Horizon”. 2020 erschienen bei GENUIN classics und als Teil des Transferprojekts gefördert durch die Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule, entführt sie in die neuartigen Klänge der BP-Skala. Dabei ist der Titel der CD Programm: Sämtliche Kompositionen sind für die BP-Skala und für ein Ensemble geschrieben, das aus BP-Instrumenten sowie Elektronik besteht. Dabei findet jede*r Komponist*in einen individuellen Zugang, der immer auch mit bekannten Hörgewohnheiten spielt, sich aber schnell über den Erwartungshorizont hinausbewegt. Der Audioträger wurde mit einem umfangreichen Booklet verlegt, das sowohl über die BP-Skala als auch die einzelnen Stücke und Künstler*innen informiert.

Erhältlich ist die CD bei: https://www.genuin.de/de/04_d.php?k=564

Was uns an Bohlen-Pierce-Musik begeistert, ist die Möglichkeit, innerhalb eines tonalen Systems vollkommen neue Klanglandschaften und Hörerlebnisse zu finden. Unsere Erfahrung ist, dass das “westliche Ohr”, das an Skalen gewöhnt ist, die auf verschiedenen Einteilungen der Oktave beruhen, es als eine intellektuelle Herausforderung empfindet, an ein Tonsystem zu denken, das die Erscheinung der Oktave vermeidet. Andererseits wird es vom Publikum als inspirierend und stimulierend empfunden, Bohlen-Pierce-Musik zu hören, da sie oft als eine Art “Musik vom anderen Stern” wahrgenommen wird. Bohlen-Pierce-Musik öffnet neue ästhetische Horizonte für zeitgenössische Musik. Durch die besondere Eigenschaft eines neuen und ungewohnten, aber dennoch harmonischen Systems hat Bohlen-Pierce-Musik das Potential, neue Musik mit diesem speziellen Aspekt zu bereichern und zeitgenössische Musikaufführungen für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen.

 

Weitere Informationen:
Starting Over – Chances Afforded by a New Scale

Janina Luckow